looking for paradise

Johannes Domenig
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Galerie Frey Wien

Über DIE Ausstellung

SCHÖNHEIT UND TRAGÖDIE

Zum ambivalenten Phänomen Natur im Werk von Johannes Domenig Von Mag. Carl Aigner

Die Natur ist eine conditio sine qua non
jedweder künstlerischen Arbeit
- Paul Klee

Lammfell mit tropfen(tränen-?)artigen Erdölintarsien, Holz mit Blattgold und eingearbeiteten Rosendornen oder Kakerlaken, in eine MDF-Platte eingeschlagene kleine Steinsplitter oder originale Kunststofftablettenverpackungen als Bildtableau collagiert – auf den ersten Blick irritiert und fasziniert gleichzeitig die scheinbar heterogene Materialkombinatorik, die sich im Oeuvre von Johannes Domenig findet. Der Betrachter sucht nach einer ästhetischen und inhaltlichen Klammer, die sich nach und nach als Thematisierung von Natur entfaltet und noch mehr Neugierde hervorruft.

Besucht man das Atelier des Künstlers, der seit den 1990er Jahren in Wolfsbach in einem alten Bauernhof inmitten der Natur des Mostviertel lebt und arbeitet, so hat man den Eindruck, dass hier ein Naturarchäologe zugange ist: Unzählige Naturobjekte, die sich immer wieder mit zivilisatorischen Kulturobjekten vermischen, eröffnen einen unabsehbaren assoziativen Materialfundus. Insbesondere die vielen Wanderungen durch wasserlose, trockene Flussbeete bergen zahlreiche Funde, die von einer besonderen Naturberührtheit zeugen. Es ist keine romantische, sondern eine existentielle Betroffenheit, die sich in all den Fundstücken wieder findet. Es geht nicht um eine idyllisch-phantasierte Natur; vielmehr ist die künstlerisch- archäologische Haltung über lange Jahre eine erfahrene und authentisch erlebte. Nicht ein flüchtiger, funktionalisierter Künstlerblick, wie wir dies immer wieder etwa bei den Impressionistischen sehen, bestimmt das (Er-)Schauen von vorgefundener Natur, sondern „Verbundenheit, Schönheit und Abgründiges“, wie Johannes Domenig selber es beschreibt.

Die einzelnen Werke, die formal vom Bildnerischen bis zu Objekt- und Rauminstallationen reichen, fokussieren ein grundlegend „bildhauerisches“ Selbstverständnis (seine Ausbildung an der Fachschule für Bildhauerei in Hallein sowie das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München sind hier prägend), ein, um es modischer zu formulieren, Crossover verschiedener medialer Gestaltungsmöglichkeiten. Doch weit über formale Möglichkeiten der Verschränkung verschiedener Medien und dem hier damit verbundenen Spannungsfeld von Zwei- und Dreidimensionalität hinaus wird eine Objektsondierung realisiert: „Die Materialität ist Programm, sie transportiert für meinen Anspruch die Inhaltlichkeit und ist somit das Wesen der Arbeit“, skizziert Domenig nachdrücklich seine künstlerische Haltung.

„SeinundSchein“ ist der Titel einer mehrteiligen Rauminstallation. Unabdingbar gekoppelt wie die Vorder- und Rückseite einer Münze, findet sich auf der einen Seite der großen Bildwand ein Knochenturm, auf der anderen Seite die vergoldete Fläche einer Mdf-Platte. Ewigkeit (Gold) und Tod (Knochen) koppeln sich als Icons der Vergänglichkeit des (menschlichen und tierischen) Lebens und der Unendlichkeit des Kosmos. Natur als Ambivalenz des Daseins, als Schönheit (Gold) und Tragödie (Vergänglichkeit) wird in multipler Weise zur Symbolik auch menschlicher Existenz: „Gold ist auch eine individuelle Entdeckung, mit seinem unvergleichbaren Leuchten, seiner Wertigkeit und der Schattenseite, dass es in Gegenwart und Historie viel Blut gefordert hat und fordert.“ (J.D.)

Wie ein roter Faden zieht sich die Dualität von Natur und Historizität (als Zivilisationsprozess) symbolisierend durch das jüngere Werk des Künstlers. Gerade mit seinen Fundobjektinstallationen wird Zeitlichkeit ein immanentes Werkprinzip, das ein weiteres Signum seines Arbeitens darstellt. Das „Timbre“ der Objekte signalisiert deren zeitliche Situierung als Patina der Vergänglichkeit und historischen Verortung. Wie überhaupt das Moment der Zeit zum Momentum der Arbeiten selbst wird. Viele verwendete Materialien suggerieren eine tiefe zeitliche Dimension, die bis zum Entstehen des Kosmos selbst reicht (Gold). Fast scheint es, als ob sich das Werk von Domenig am Phänomen Zeit selbst abarbeitet – als geologische und organische Wertigkeit schlechthin. Und ist nicht spätestens seit der Romantik die Kunst selbst ein Ort einer aufgehobenen Zeit geworden, ein neuralgischer Ort von Zeit-Losigkeit?

Immer wieder sind auch aktuelle Ereignisse mögliche Auslöser seiner Arbeiten. So findet sich in der Auseinandersetzung mit Erdöl die Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko von 2010 als Trigger wieder. Positive und negative Konnotationen bilden die Grundlage der Verwendung von Erdöl als ästhetische „Malfarbe“: Die Kombination von Organischem (Tierfelle) und Anorganischem (Erdöl) ist Signum vieler Arbeiten, wobei es immer wieder zu Substitutionsprozessen kommt. so fungieren Kunststoffhaare für organisches Leben etwa und verweisen gleichzeitig auf das Erdöl als Element für Kunststoffprodukte. Wie überhaupt der gegenseitige Verweis von Organischem und Anorganischem konstitutiv ist. Bezüglichkeit wird zu einem Formprinzip schlechthin, die Verfahrensweise der Intarsie impliziert per se das Verschränkende und Verschmelzende, wenn etwa Kakerlaken in Blattgold verpuppt werden. Formgewinnung gerinnt hier zur Naturgewinnung und vice versa.

Seit der Auseinandersetzung mit Natur wird die künstlerische Reflexion durch die Frage geprägt, ob die Kunst die Vollendung von Natur sei oder die Natur das uneinholbare Vorbild für die Kunst sei. Domenig entzieht sich insofern dieser Überlegung, als es für ihn diese Polarität nicht gibt: das Eine ist gewissermaßen das Andere. Relevant wird dies in einem weiteren formalen und thematischen Aspekt seines Schaffens: der Dialektik von Ordnung und Chaos, die einen weiteren roten Faden bildet („Order of Existence“ betitelt sich eine Arbeit). Der künstlerische Diskurs, so könnte es formuliert werden, etabliert eine Ordnung 2. Grades auf Basis der Ordnungsformen des Chaotischen. So werden in streng geordnet kombinierten medizinischem Verpackungsmaterial in chaotischer Weise (weil zufällig?) allerlei miniaturhafte organische oder anorganische Objekte hinein verwoben. Besonders signifikant sind die Arbeiten mit Baumrinden, deren Struktur scheinbar chaotischen Direktiven folgt: In der „dominanten Werkgruppe hat sich die Rinde als Natursymbol, als Logo sozusagen entwickelt und zeigt sich mit ihren Längsstreifen einem Strichcode gleich“, so der Künstler selbst. Deren verschiedenartigsten „Materialveredelungen“ wie etwa mit Gold, Silber, Erdöl oder Blei ikonisiert sie in der Verschmelzung von Organischem und Anorganischem quasi zu einem künstlerischen „Natur-Stück“, zu einem „Nature Icon“, so ihre Betitelung.

Die Schönheit der Dinglichkeit der Werke von Johannes Domenig entzieht fast ihre künstlerische Ambivalenz: Blei ist nicht nur ein Schutzmaterial, sondern vermag, in gelöster Form ein hochgiftiges Schwermetall zu sein; ohne Erdöl gäbe es die industrialisierte und technologisierte Welt nicht, gleichzeitig zerstört es immer wieder in erschreckendem Umfang tierisches und menschliches Leben, Rosensamen in Blattgold verkleidet, wird kein botanisches Leben entfalten können! Es ist der künstlerische Zugriff, die künstlerische Verfahrensweise, die sich dieser Negativ- Positiv-Dialektik entzieht, wie Johannes Domenig eindringlich demonstriert.

über den Künstler

Johannes Domenigs Werke können einen Anstoß dazu bilden, das schon Alltagsbekannte mit neuen Augen zu sehen, wenn die Stille des ersten Augenblicks der Kunstbetrachtung in die Länge gezogen wird, ein Versuch unternommen wird , die Zeit zu dehnen und die mentale Etikettierung möglichst lange hinauszuzögern. Formen und Farben der Dinge werden sodann in ästhetischen Kategorien betrachtet, das Was spielt zugunsten des Wie erst sekundär - in Fragen der mentalen Etikettierung – eine Rolle.

Kennzeichen von dieser Kunst von Johannes Domenig ist die Wahl von Objet-trouvés aus dem Fluss der Zeit , ihr nüchtern feierliches  Arrangement zu einem neuen Ganzen, ihre beziehungsreichen Anspielungen zu u.a. religiösen Kontexten und letztendlich ihre Auratisierung durch die Einbindung in den Kunstkontext.

Kunst und Kult verschmelzen zu einer neuen Einheit, deren Ziel es ist, existenzielle Fragen in Phänomenen des Sichtbaren zu übertragen, als eine Möglichkeit, den Geheimnissen des Lebens auf den Grund zu gehen.

von Brigitte Reutner, Kunstmuseum LENTOS

PRESSESTIMMEN

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