„vorher-nachher“

Bernard Ammerer
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Galerie Frey Wien

Über DIE Ausstellung

Von Landschaft und Parkour. Die Malerei des Bernard Ammerer

Nach „State of Mind“ im Jahre 2012 und der letzjährigen „A Better Place“ in Salzburg, präsentiert Bernard Ammerer in diesem Sommer neue Werke in der Ausstellung „vorher nachher“. Was hat sich in den letzten Jahren in seinem Werk getan? Noch immer bevölkern junge Menschen nüchterne Architekturen oder amüsieren sich auf leeren Autobahnen. Noch immer gibt es diese bedrückenden Momentaufnahmen einer Natur, die uns vertraut scheint, aber längst fremd geworden ist. Auf den ersten Blick schein all dies bekannt und dennoch hat sich einiges verändert.

Welch hervorragender Beobachter Bernard Ammerer  ist, zeigt sich bereits in seinen Landschaften.Wirken diese zwar wie Stimmunngsbilder aus dem Waldviertel oder wie pittorekse Ansichten der Westautobahn, so entlarven sie sich bei näherer Betrachtung als spannungsreich ausgewogene Farbkompositionen. Ammerer orientiert sich in seinen Autobahngemälden am klassischen Aufbau niederländischer Landschaftsmalerei. Eine tiefe unterhalb der Bildmitte liegender Horizontlinie gibt Wolken und Himmel reichhaltig Raum. Im unteren Bilddrittel wird ein schmaler Streifen farbiger Landschaft vom grauen Asphalt der breiten Strasse förmlich eingequetscht. Als Mahnmale künden Funkmasten und Windenergieanlagen von unserer fortschreitenden Technikgläubigkeit. Ammerers Autobahngemälde bestehen aus These und Antithese und verhalten sich auch dementsprechend.

Dass dieses Spiel mit Dualitäten eine seiner künstlerischen Strategien ist, zeigte Ammerer bereits in der Wiener Ausstellung ,State of Mind´ 2012 in der Bildserie „Structure 1-3“. Obwohl Ammerer das Landschaftsbild in Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund einteilt, kann sich bei „Structure“ keine räumliche Wirkung entfalten, denn die durch Klebestreifen erreichte vertikale Rasterung verhindert dies. Mittels dieser Gliederung verschmelzen die Zweidimensionalität der Straßenfläche und Dreidimensionalität der Weite der Landschaft zu einem gleichwertigen ornamentalen Gefüge.

Dies geschieht in gewisser Art und Weise auch in den großformatigen Zeichnungen der Serie „Thank You Nature Fuck You Nature“. Die Werke dieser Serie übertragen die bekannten Motive der Autobahngemälde in das Medium der Zeichnung. Während diesmal der Bereich des Himmels leer bleibt, leben Straße und die angrenzende Natur vor unterschiedlich lockeren und stakren Verdichtungen. Was im ersten Hinsehen noch als Schraffuren gedeutet werden könnte, entlarvt sich beim näheren Hinsehen als ein Schriftzug: „Thank you nature Fuck you nature“. Ein jüngeres Werk dieser Serie fällt durch die Motivwahl besonders ins Auge. Während Lichtstrahlen durch dicke Wolkenschichten drängen, finden sich umgeben von bewaldeten Hügeln und felsigen Gebirgsformationen mehrere serpentinenartige Schleifen im dargestellten Tal wieder.

Von Bernard Ammerer mantraartig in seiner repetitiven Häufung gebraucht, wird das Zusammenwirken zweier Elemente – Thank vs. Fuck – und deren gegenseitige Abhängigkeit überdeutlich. Ammerer enthält sich jedoch eines wertenden Urteils und lässt offen, ob die Möglichkeit Natur nach Gutdünken des Menschen zu gestalten überhaupt positiv oder negativ bewertet werden kann. Beide Werturteile greifen ineinander und können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Somit überlässt er das Urteil dem Betrachter in dessen Auge bekannterweise die Deutungshoheit liegt. Dennoch bleibt bei diesen Werken der vorherrschende Charakter der Zeichnung erhalten. Das Motiv wird nicht durch die Schrift verdrängt.; es wird durch diese erst zum Leben erweckt. Der Künstler lässt das in der Natur Abgebildete förmlich erst im Niederschreiben als gestaltetes Schrift-Bild entstehen. Er erschafft ein Abbild des gesprochenen und geschriebenen Wortes. Indem Bernard Ammerer  uns somit zeigt, das Gedachtes zu Wort, dieses Text und dann als Schrift zum Bild werden kann, zeigt er auf, dass wir selbst es sind, die durch unsere Gedanken zu Manifestationen, sei es Wort, Tat oder Produkt hinleiten. Und herin zeigt sich letztendlich unsere eigene Mitverantwortung.

Weder können wir runs dieser Mitverantwortung durch Verdrängung entziehen wie es etwa auch in „Ghost“ thematisiert wird, noch können wir uns wie Fremdkörper in der Natur verhalten, wie es in „Wilderness Fantasies“ zum Ausdruck gebracht wird und keineswegs können wir davon ausgehen, die Natur weiterhin beherrschen zu wollen.

Die Zeiten eines naiven romantischen Schwelgens inmitten einer landschaftlichen Bühne sind vorbei. Der Blick des einsamen Wanderers in eine menschenleere Landschaft ist auch ein Mahnmal der zunehmenden Zersiedelung und Domestizierung von Natur. Wildnis wird zum Suchraum. Setzte C.D. Friedrich seinen Mönch am Meer noch den Urkräften der Natur aus, so präsentiert sich Ammerers Wanderer Natur als eine gebändigte, geschlagende und traumatische. Dennoch bleibt diese Bedürfnis nach Romantik ein Zeitloses. Auf der Siche nach Idylle passen wir uns den Gegebenheiten an und lernen die Schönheit des Sonnenaufgangs auf der Autobahn schätzen. So kann uns das Erkennen der eigenen Position innerhalb des Gefüges von Mensch und Natur zur „Temporara Malfunction“ führen, andererseits aber auch zum Umdenken anleiten.

Diese Mitwirkung der Betrachter als Mittäter oder Mittäterin wird in einigen mit menschlichen Figuren gestalteten Gemälden noch deutlicher. Manche dieser großformatigen Bilder wie „Playground xxl“, „Exploerer“, „Freedom Fantasies“ oder „Eventually Satisfied“ wirken wie Einladungen zu geheimnisvollen Urban Games, welche irgendwo zwischen Geocaching und Parkour angesiedelt sind. Ihre subversive Komik erhalten diese „Traceurs“, wie man die Parkourläufer auch nennt, durch die Umgebung in der sie sich bewegen: sie laufen auf Autobahnen oder an diesen entlang, liefern sich mitunter Wettrenen mit Lastwagen oder treffen sich zum wilden Stelldichein. Ihre Dynamik erhalten diese Gemälde durch den gewagten Bildausschnitt. Oftmals sind die Horizontlinien schräg, die Körper schmerzhaft an- und abgeschnitten, die Dargestellten auf eigenwillige Art präsentiert. Ammerer kombiniert zwar Natur, Architektur und Mensch miteinander, dennoch agieren die beteiligten Personen scheinbar ohne jeglichen Bezug zu dem sie umgebenden Raum.

Was geschehen würde, wenn wir uns alle als „Traceurs“ verstünden, zigen die Gemälde der Serie „Deduction“, die voller anmutiger Springender sind. Bernard Ammerer bedinet sich eigentlich des Stilmittels des ,Freeze Frame´mit welchem im Film Einzenbilder ,eingefroren´ werden. Es scheint, als ob die Laufenden, Springenden, Tanzenden für den Bruchteil einer Sekunde angehalten werden würen, um dann ihre Bewegungen unvermittelt und voller Kraft weiterzuführen. Trotz aller Überschneidungen gibt es keine Berührungen, dennoch zahlreiche Herleitungen, die zur Momentaufnahme führen. Jeder scheint sich selbst der Nächste, doch ob er respektvoll mit dem anderen umgeht oder diesen gar in seinem Tun ignoriert, bleibt wiederum dem Willen des Betrachters überlassen. Es findet werde Kommunkation zwiscehn Ort und Person noch zwischen den Personen statt. Bernard Ammerer bietet uns auch keine Lösung an. Und gerade hierin liegt die Magie dieser Werke, denn aller inhaltlichen Dramtik zum Trotz besitzen sie eine ausgewigene Harmonie, eine kompositorische Spannkraft und eine seltsame Ausstrahlung. Ammerer wirbelt unser Verständnis von figürlicher Darstellung ebenso durcheinander wie dasjenige von Landschaft.

In einigen der jüngeren Werke dieser Serie wie beispielsweise „User Optimized“, „Feldversuch“ oder „Runner“ fehlt jeglicher Bezug zur Natur. Angesichts der weißen endlosen Ebene fühlt man sich an den unendlichen ,White Cube´aus George Lucas # Klassiker ,THX 1138´erinnert. Die Helden dieser dystopischen Zukunftsvision aus dem Jahre 1971 werden mit Psychopharmaka und Hologrammsendungen ruhig gestellt; die Protagonisten Ammeres hingegen sind mit sich selbst beschäftigt. Wer soviel hüpft, braucht keine Drogen. Doch auch „Global Player“ kommen zur Ruhe, werden sich ihrer „Backwound Story“ bewusst und wirken seltsam fremd auf einer Bühne, die so clean ist, dass jegliche enschliche Figur als Fremdkörper wahrgenommen wird und langsam aus dem Bild verschwindet. Was bleibt, sind leere Bühne, dichte Wolken und „Abendluft“.

Im hochrechteckigen Gemälde „Big Filter“ zeigen die oberen drei Viertel eine stark bewegte Wolkenformation, wohingehen das utnere Viertel eine weiße Leinwand zeigt. Aus einer gewissen Entfernung betrachtet, könnte es sich um eine Eisfläche oder eine betonierte Fläche handeln, doch aus der Nähe ist der Kontrast zwischen den opulenten Wolken und der Oberflächenstruktur des Leines beinah schmerzhaft spürbar. Irgendwann wurde Bernanrd Ammerer sich bewusst, so scheint es, dass es eines kühnen Schrittes bedurft, um die antetische Bildaussage zu radikalisieren. In den früheren Landschaftsgemälden inszenierte er das Wechselspiel von Natur und Autobahn als kraftvolle Gegenüberstellung von These und Antithese, die ineinander verwoben sind. Selbige Strategie verfolgte er mit den Gegenkräften von Figuren im sie umgebenden Raum. Nun allerdings werden die Gegensätze aufgehoben, beide Kontrajenten werden gelichwertig und gleichzeitig werden sie ad absurdum geführt. Es bedarf keines Kontrastes mehr; ebenso wie die Figur ist auch der Landschaftsbegriff obsolet geworden und hat sich aufgelöt. Ein neues Bild-System hebt die bestehnden Trennungen auf.

Was sich im Werk Bernanrd Ammerers in den letzten Jahren grundelgend verändert hat, kommt in zwei seiner großformatigen Zeichnungen des Portraits eines jungend Mannes treffend zum Ausdruck. Mal sund die Augen geschlossen, mal geöffnet. Dem Blick nach Innen steht die wachsame Beobachtung der Außenwelt gegenüber. Beide Zeichnungen wirken luftig, mit leichtem Strich hingeworfen und besitze eine rasterartige Struktur. Bei näherem Blick löst ci hdas Raster zugunsten eines gezeichneten Einzelelements auf, welches durch Häufung und geschickte Setzung die räumliche Tiefe des dargestellten Motivs bildet. Beim Portrait mit geschlossenen Augen bildet der Begriff ,Person´ das Grundelement der zeichnerischen Vervielfältigung; bei demjenigen mit offenen Augen ist es ein simples laufendes Strichmännchen. Von der Person zum Strichmännchen. Vom egozentrierten Künslter-Ich zum globalen Zeichen einer vernetzten Verbundenheit mit Vilen von der Suche nach der eigenen Identität zum Erkenen Teil steter Bewegung und Veränderung zu sein. Vom malenden Beobachter zum malenden Traceur. Bei beiden Zeichnungen handelt es sich um Selbstportaits. Erst im Bewusstwerden Teil eines Ganzes zu sein, können die eigene Funktion, Rolle und Bedeutung als Gleicher unter Gleichen und dennoch Einzigartiger hinterfragt werden. Alles ist miteinander verbunden. Natur und Beton, Landschaft und Straße nähern sich an. Mensch und Umwelt gehen ineinander auf. These und Antithese verschmelzen. In dieser Synthese kann Zukunft gleich einem Parkour sich gestaltend entfalten. Wie es mit dem malenden Traceur Bernard Ammerer weitergeht? Wir dürfen gespannt sein.

Harald Krämer

über den Künstler

Der Künstler hat sich der figurativen Malerei und einem malerischen Realismus verpflichtet und zeigt in seinen Bildern entscheidende Momente, Situationen auf der Kippe, Körper an der äußersten Belastungsgrenze, Szenen aus dem Alltag der Jugendkultur. Das Bildgeschehen lässt sich nicht zur Gänze erfassen, die Protagonist:innen in Ammerers Bildern treten mit dem Betrachter in Verbindung, als würden sie dazu auffordern, die Situation weiterzudenken.

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