Silvie Aigner, Kunstzeitschrift Parnass:
Die Galerie Frey zeigt nach einer erfolgreichen Einzelausstellung in Salzburg nun in der Wiener Galerie unter dem Titel "Vuoto" neue Arbeiten des in Rom lebende Roberto Almagno. Seine Skulpturen entfalten eine prägnante Raumpräsenz, der man sich als Betrachter schwer entziehen kann. Der 1954 geborene Künstler arbeitet ausschließlich mit dem Medium Holz, das er in und um die italienische Hauptstadt sammelt. „Meine Skulpturen sind irgendwo zwischen der Suche nach Perfektion und dem Bewusstsein der Fragilität zu verorten“ beschreibt Almagno seine Arbeiten, die sich mit einer großen Leichtigkeit in den Raum einschreiben. Das Spektrum der in der Galerie gezeigten Arbeiten umfasst kleinere Sockelskulpturen ebenso wie große Wandobjekte.
„Das Leben ist ein Gefangener seiner Darstellung“, schrieb der italienische Schriftsteller Antonio Tabucchi, diese würde nichts von der „wahren Wahrheit“ preisgeben. „Dabei ist das Leben prallvoll, ungeduldig, es möchte aus dem Viereck ausbrechen.“ Wahrnehmungen von Dingen, Situationen, Sinneseindrücken, die plötzlich auftauchen und auf nichts als sich selbst verweisen, geben dem Betrachter zuweilen die Ahnung, auf das Wesentliche der Natur gestoßen zu sein, auf ihre elementare Essenz, auf ihr Wesen. Die Herausforderung diese Ahnungen zu beschreiben oder darzustellen ist Teil eines immanenten Kunstprozesses und beschäftigte schon Jean-Paul Sartre, wenn er seine Romanfigur Antoine Roquentin angesichts einer Kastanienwurzel erkennen lässt: „Die Welt der Erklärung und Gründe ist nicht die der Existenz (..) knorrig, inert, namenlos, fasziniert sich mich, erfüllte meine Auge, führte mich ständig auf ihre eigene Existenz zurück. Ich konnte noch so oft wiederholen: Es ist eine Wurzel, das verfing nicht mehr. (...) Die Funktion erklärt nichts. Ich spürte verdrossen, dass ich kein Mittel hatte zu verstehen.“
Bedeutet dies letztlich, dass der Kunst die Mittel fehlen, die Natur in ihr Medium zu übersetzen, ohne in eine banale oder gar romantische Beschreibung zu verfallen? Dass beide von einander unabhängige Systeme sind, in der die reale Natur in Widerspruch zur Kunst steht? Doch die Widerlegung dieser Frage war zumindest seit Beginn des 20. Jahrhunderts Teil eines zeitimmanenten Kunstdiskurses und auch Sartre beendete Roquentins Betrachtung mit dem Satz: „Ich bin ins Hotel gegangen und habe geschrieben.“
Almagno entwickelt seine Skulpturen entlang der Natur, das heißt dass er die Form der von ihm gesammelten Zweige als grundlegende Ausgangsbasis verwendet und auch in der künstlerischen Übersetzung, dem er das Material unterzieht, deren Herkunft nicht verbirgt – und dennoch verändert er den Blickwinkel des Betrachters. Das achtlose Holzstück wird ob seiner Form zum Hauptakteur. Die Sinneseindrücke der Natur werden jedoch emotionalen Stimmung entleert und zu reiner Form. Was hier passiert, ist die Übersetzung der Natur in eine Bildform jenseits des Repräsentativen und Narrativen. Almagno objektiviert und isoliert die Natur, indem er sie in eine monochrome skulpturale Reduktion übersetzt und anerkennt sie damit gleichsam als Instanz, was definitiv etwas anderes ist als die Suche nach einem Motiv – und letztlich zu jenen prägnanten Skulpturen führt, die aktuell in der Galerie Frey zu sehen sind.
Melodien entstehen durch die Zusammensetzung verschiedener Klänge in unterschiedlichen Tonlagen. Sie nehmen den menschlichen Gehörsinn in Anspruch, sind angenehm oder unschön und werden subjektiv betrachtet. Wenige Töne reichen aus, um eine bekannte Melodie mit einem Musikstück in Zusammenhang zu bringen, um den Musiker dahinter zu erahnen. Klang hängt unmittelbar zusammen mit Stille, denn ohne die Pausen entstehen keine melodischen Verbindungen zwischen einzelnen Klängen. Die zwei Gegensätze Melodie und Stille sind unabdingbar miteinander verknüpft und setzen das jeweilige andere voraus. Rhythmus entsteht.
Auf den ersten Blick sind Roberto Almagnos dunkle Skulpturen stille Begleiter. Sie fügen sich in den Raum, der ihnen gegeben wird und entfalten sich: ruhig und entspannt. Der 1954 in Rom lebende Roberto Almagno arbeitet ausschließlich mit dem Medium Holz, das er in und um die italienische Hauptstadt sammelt. „Meine Skulpturen sind irgendwo zwischen der Suche nach Perfektion und dem Bewusstsein der Fragilität zu verorten“ beschreibt Almagno seine Arbeiten, deren Zartgliedrigkeit den Klängen einer klassischen Sinfonie gleichkommt. Sie verfolgen ein ästhetisches Schema, lassen von einem Crescendo auf die nächste Taktänderung schließen. Fast unwirklich stehen die Holzskulpturen in ihren feingliedrigen Biegungen und Kurven vor einem. Das Werk „Aria“ (2015) steht ganz eindeutig in Bezug zur Musik. Der gebogene Resonanzkörper – einem Menschen oder Instrument gleichkommend – lässt Klangverbindungen in unterschiedlichen Tonlagen entstehen. Dabei wirken die Partikel so als würden sie unabhängig von einander im Raum schwirren und dennoch zusammenhängen. Aber ihr Klang ist unhörbar. Doch allein die stille Skulptur, mit ihrer melodischen Struktur und der liedartigen Ästhetik, erinnert an ein Musikstück.